Nicht zuletzt die medial bekannten Fälle und darüber hinaus die mehr als hundert Verdachtsfälle von „Überbauungen ins Grünland“, die der Landesrechnungshof in einem seiner Berichte 2023 ausgewiesen hat, haben uns vor Augen geführt, dass es mutmaßlich in vielen Gemeinden in Oberösterreich Widmungswidrigkeiten bei bereits errichteten Wohn- und Geschäftsgebäuden geben könnte.
Mit der Novellierung des Oö. Raumordnungsgesetzes (ROG) im Jahr 2021 hat sich das Land Oberösterreich einer nachhaltigen Raumordnungspolitik in unserem Bundesland verschrieben. Diese folgt dem Grundsatz ‚Boden schützen & Zukunft ermöglichen‘ durch Ordnung des Raumes – klare Priorisierung einer Entwicklung nach innen, Stärkung der Ortskerne, keine Supermärkte mehr in der Peripherie, flächensparende Widmungen und verdichtete Bauweise. Und diese Maßnahmen zeigen Wirkung, das beweisen Zahlen und Fakten. So ist etwa bei der neuen Flächeninanspruchnahme für Bauland seit 2021 ein Rückgang um 50 Prozent feststellbar. Das ROG ist dafür ein verbindlicher Rechtsrahmen. Nun gilt es auch für Überbauungen ins Grünland Lösungen zu finden, denn der Anspruch vernünftige und nachhaltige Politik für die Oberösterreicher/innen zu machen, gilt auch bei dieser Thematik.
1. Grundlage
Die Gründe für das Abweichen von einer erteilten Baubewilligung bzw. einer widmungswidrigen Überbauung in den bekannt gewordenen Fällen sind mannigfaltig und vielfach auch nicht mehr nachvollziehbar. Viele liegen bereits Jahrzehnte zurück und treffen oftmals nicht mehr den Erbauer selbst, sondern die Erben, die Käufer oder sonstige Rechtsnachfolger, welche Eigentümer des betroffenen Gebäudes sind. Kommen diese Missstände an das Tageslicht, führt dies häufig zu existenzbedrohenden Zuständen für die Betroffenen, da eine undifferenzierte nachträgliche Widmung zur Erlangung einer nachträglichen Baubewilligung im Sinne einer rechtlichen Sanierung oftmals aufgrund höchstgerichtlicher Judikatur nicht möglich ist.
Daraus resultieren Benützungsuntersagen und Abrissbescheide, denen vielfach jahrelange verwaltungs- und zivilrechtliche Prozesse folgen und an deren Ende zerstörte Existenzen stehen.
Ausgangspunkt für die Notwendigkeit zum politischen Handeln war neben den medial bekannten Fällen die Frage, welche wohnbauförderungsrechtlichen Konsequenzen ein solcher „Schwarzbau“ hat. Auf Grund der Komplexität des Sachverhalts wurde von Landeshauptmann-Stv. Haimbuchner ein zweiteiliges Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, welches zusammengefasst folgende zwei Fragen zu beantworten hat:
1. Besteht eine verfassungskonforme Möglichkeit, widmungswidrige Abweichungen bei Wohn- oder Geschäftsgebäuden, durch nachträglich Widmung und Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung rechtlich zu sanieren?
2. Zu welchen wohnbauförderungsrechtlichen Konsequenzen führt dies, falls die in Punkt 1 aufgeworfene Fragestellung negativ beantwortet werden sollte?
2. Teilgutachten
Baurechts- und Wohnbau-Landesrat Landeshauptmann-Stv. Manfred Haimbuchner und der für die Raumordnung zuständige Landesrat Markus Achleitner sind aufgrund der gesellschaftlichen Brisanz bestrebt, eine Lösung zu finden, die Betroffenen einen Ausweg bietet, die Abweichungen jedoch nicht ohne Konsequenzen legalisiert und mit der österreichischen Verfassung in Einklang steht.
Hoffnung für viele betroffene Eigentümer/innen
Das vorliegende Teilgutachten bescheinigt erfreulicherweise, dass die Möglichkeit einer nachträglichen verfassungskonformen Widmung bei Überbauungen im Grundsatz besteht. Die daraus gewonnen Erkenntnisse sollen daher umgehend als Ausgangspunkt für eine legistische Umsetzung im oberösterreichischen Landesrecht genutzt werden. Es wurde daher der Auftrag erteilt, einen entsprechenden Gesetzesentwurf zu erarbeiten. Insbesondere werden damit die Gruppe Baurecht und die Abteilung Raumordnung befasst.
Keine Generalamnestie
Die angestrebte gesetzliche Lösung soll und wird kein „Blankoscheck“ oder eine Generalamnestie für „Schwarzbauten“ in Oberösterreich werden. Jedenfalls nicht davon umfasst sein sollen, mangels öffentlichen Interesses, Gebäude, die nicht Wohnoder Geschäftszwecken dienen oder Gebäude, die gänzlich ohne Baubewilligung im Grünland errichtet wurden. Etwa Gartenhütten und sonstige nicht existentielle Gebäude.
Verfassungskonformität
Ebenfalls verhindert werden soll, dass jene Eigentümer/innen, die verwaltungsrechtliche Vorschriften übertreten, bessergestellt werden, als jene, die das nicht tun. Daher wird es im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes und auch im Sinne der angestrebten Verfassungskonformität notwendig sein, den Widmungswerber/innen einen empfindlichen finanziellen Ausgleich aufzuerlegen.
Verhältnismäßigkeit
Klarzustellen ist, dass mit der angestrebten Lösung nicht eine jede „Überbauung“ saniert werden kann. Insbesondere jene Fälle, bei denen durch den Umstand der konsenslosen Abweichung eine signifikante Gefahr für Leib und Leben besteht, wird eine nachträgliche Widmung weiterhin verwehrt bleiben.
Verfassungsexperte eingebunden
Um die rechtlichen Fragen und die juristischen Details restlich zu klären und um die Verfassungskonformität zu gewährleisten wurde Verfassungsrichter Univ. Prof. Dr. Andreas Hauer, stellvertretender Institutsvortand des Instituts für Verwaltungsrecht der Johannes-Kepler-Universität Linz, mit der Erarbeitung des Gutachtens beauftragt.