Über Tourismus | Ausstellungseröffnung

Über Tourismus
Reisen verbindet, Reisen trennt

Eine Ausstellung des Architekturzentrum Wien präsentiert im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024

Vorchdorf, 13. September 2024
Immer mehr Menschen reisen öfter, weiter und kürzer. Welche Auswirkungen haben unsere Urlaubswünsche auf die gebaute Umwelt, das soziale Gefüge und den Klimawandel? Und wie können wir einen Tourismus imaginieren, der nicht zerstört, wovon er lebt? Das sind die zentralen Fragestellungen, in der von Karoline Mayer & Katharina Ritter kuratierten Ausstellung Über Tourismus. Reisen verbindet, Reisen trennt. Im Mittelpunkt der Ausstellung, die vom 27. September bis 13. Dezember 2024 in der Miba eMobility in Vorchdorf zu sehen ist, stehen Analysen, Szenarien und alternative Strategien in acht Kapiteln. Thematisiert werden u. a. die Auswirkungen des Übertourismus auf das Klima, die Abwanderung der lokalen Bevölkerung, das Verhältnis von Tourismus und Landwirtschaft oder die Geschichte von Hotelbauten in Österreich. Zur Ausstellung ist das umfassende und reich bebilderte Buch Über Tourismus mit Essays von Linda Boukhris, Ana Gago, Maria Kapeller, Helga Kromp-Kolb, Kurt Luger, Arno Ritter und Arthur Schindelegger im Verlag Park Books erschienen. Hrsg. von Karoline Mayer, Katharina Ritter, Angelika Fitz und Architekturzentrum Wien. Am 25. September 2024 wird die Ausstellung Über Tourismus in Vorchdorf – dem Tor zum Salzkammergut – eröffnet.

Über Tourismus
Seit Jahrzehnten erfährt der Tourismus eine kontinuierliche Intensivierung und ist zu einem integralen Bestandteil unseres westlichen Lebensstils geworden. Er hat Wertschöpfung, Wohlstand und Weltoffenheit auch in die entlegensten Gegenden gebracht und so Abwanderung verhindert. Er fördert das kulturelle Angebot und im besten Fall auch Toleranz und Bildung. Das ist die Sonnenseite des Tourismus. Auf der Schattenseite stehen negative Effekte wie Menschenmassen, grobe Umwelteingriffe und steigende Bodenpreise.
Touristische Hotspots leiden unter dem Ansturm der Besucher*innen, während andere Orte abgehängt werden. Gemeinden sind zwiegespalten: Einerseits profitieren sie vom Tourismus, andererseits nehmen sie immer stärker unerwünschte Nebenwirkungen wahr. Und bedenkt man, dass der Tourismus mehr als andere Wirtschaftssektoren vom Klima abhängt, ist es erstaunlich, dass der Klimawandel ausgerechnet hier oft noch ein Randthema ist.
Wie können wir Tourismus in Zeiten von Klimakrise, Kriegen, drohenden weiteren Pandemien, Fachkräftemangel und einer anhaltenden Energiekrise neu denken und in nachhaltigere Bahnen lenken? Welche Rolle spielen dabei Raumplanung und Architektur? Die Ausstellung beleuchtet zentrale Aspekte des Tourismus wie Mobilität, Städtetourismus, Wechselwirkungen mit der Landwirtschaft, Klimawandel, die Privatisierung von Naturschönheit bis zum Wandel der Beherbergungstypologien und geht der Frage nach, ob und wie Tourismusentwicklung geplant wird. Anhand von anschaulichen Illustrationen, Beispielen und Datenmaterial werden Phänomene thematisiert wie Kurzzeitvermietungsplattformen, „Kalte Betten”, der Vermögensaufbau durch Ferienimmobilien oder die sinkende „Tourismusgesinnung” bei der Bevölkerung aufgrund der ausufernden Wohn- und Lebenshaltungskosten. Vor allem aber sucht die Ausstellung nach Transformationspotential. Viele Reisende sehen sich selbst ungern als Teil des Phänomens Massentourismus, und Zweifel an der Klimaverträglichkeit unseres Reiseverhaltens werden immer lauter.
Eine Vielzahl von Initiativen sind in letzter Zeit entstanden, die einen anderen Umgang mit der Natur, der lokalen Bevölkerung, dem Klima, Städten und Dörfern oder der Mobilität pflegen. Die Ausstellung präsentiert anhand lokaler und internationaler Projekte wegweisend Lösungsansätze. Planungskonzepte unterschiedlicher Länder laden zu einem strategischen Vergleich. Zahlreiche gelungene Beispiele machen Lust auf eine Art des Urlaubens, die nicht mehr ausschließlich dem Konsum und dem Wachstumsparadigma folgt. Im Zentrum bleibt die Frage: Wie können wir einen Tourismus imaginieren, der nicht zerstört, wovon er lebt?

Analysen, Szenarien und alternative Strategien in acht Kapiteln



Kapitel 1: „Öfter, weiter, kürzer” beschäftigt sich einerseits mit dem Trend, dass wir immer öfter und dafür kürzer verreisen, und andererseits mit dem Umstand, dass es vor allem die An- und Abreise ist, die den Anteil des Tourismus an den CO2-Emissionen am stärksten in die Höhe treibt, und geht dabei auf besonders umweltschädliche Mobilitätsformen näher ein.
 
Kapitel 2: „Teile deine Stadt” befasst sich mit dem Begriff „Übertourismus” und den Auswirkungen von zu starker Konzentration des Tourismus auf einzelne Städte. Im Zentrum steht das Phänomen der plattformgestützten touristischen Kurzzeitvermietung, das in Städten mit starker Tourismuskonzentration und schwachen gesetzlichen Regelungen zur Dysfunktionalität des Immobilienmarktes beigetragen hat.
 
Kapitel 3: „Zimmer frei” spielt auf eine eher neuere Dynamik an: die Abwanderung der lokalen Bevölkerung aus boomenden ländlichen Tourismusorten. Die Analyse von vier österreichischen Dörfern zeigt die Auswirkungen von zu viel oder zu wenig Tourismus – und dass es keine Patentlösung gibt.
 
Kapitel 4: „Der Elefant im Raum” im Zusammenhang mit dem Tourismus ist eindeutig der Klimawandel. Um sich Tourismus unter klimatisch veränderten Bedingungen im Jahr 2100 vorstellen zu können, bieten vier Szenarien eine Visualisierung der Folgen für verschiedene touristisch geprägte Orte in Europa – ausgehend von Erkenntnissen der Klimaforschung und mit ein wenig Satire gewürzt.
 
Kapitel 5: Bei „Von Kühen, Wölfen und Tourist*innen” dreht sich alles um das Verhältnis zwischen Tourismus und Landwirtschaft. Während die Freizeitwirtschaft mit der idyllischen Welt der Berge und Almen wirbt, sperren täglich landwirtschaftliche Betriebe zu, die allerdings für den Erhalt dieser Kulturlandschaften unbedingt gebraucht werden.
 
Kapitel 6: „Der Gast will das!” geht den wachsenden Ansprüchen der Gäste an Beherbergungsbetriebe nach – und dem scheinbaren Zwang, diesen gerecht zu werden. Fünf Geschichten österreichischer Hotelbauten, die zwischen den 1910er- und 1970er-Jahren errichtet wurden, berichten von der Rolle guter Architektur und einem Fortbestand, der auch ohne große Wachstumsschübe ausgekommen ist.
 
Kapitel 7: In „Privatisierung der Schönheit” wird der Eroberung der Natur durch den Menschen nachgespürt, die zu einem Run auf die schönsten Flecken der Erde und auf diverse Anlagemodelle in Betongold führt. Seitdem die meisten Badeseen restlos verbaut sind, richten sich die Begehrlichkeiten auf die Bergregionen.
 
Kapitel 8: „Geplant oder passiert?” stellt die Frage, inwiefern touristische Entwicklungen von partikulären Dynamiken getrieben werden oder geplante Prozesse darstellen, die von staatlicher oder regionaler Ebene gelenkt werden. Um die Bandbreite der Ansätze zu verdeutlichen, werden Strategien und Systematik von Österreich, Südtirol, Frankreich, Bhutan und Ecuador vorgestellt.
 

Mitwirkende
Kuratorinnen Karoline Mayer & Katharina Ritter, Az W
Assistenz Dina Unterfrauner
Ausstellungsarchitektur ASAP, Ulrike Pitro & Florian Sammer 
Ausstellungsgrafik LWZ & Manuel Radde
Projektträger Otelo eGen (Martin Hollinetz, Hannelore Hollinetz, Maria Rockvam) 
Kooperationspartner*innen Tourismusverband Traunsee-Almtal 
Programmleitung Baukultur & Handwerk Eva Mair

Über den Autor

Dr. Rainer Hilbrand
Medieninhaber u. Geschäftsführer

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