Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Johannes Kepler Universität Linz gelingt ein Durchbruch bei atomar dünnen antiferromagnetischen Tunnelverbindungen. Dies zeigt das große Potenzial von antiferromagnetischen Materialien für die Speichertechnologie.
Spintronik (Spin-Elektronik) beschäftigt sich mit der Nutzung des Elektronenspins in elektronischen Geräten. Im Gegensatz zur herkömmlichen Elektronik, die nur die Ladung der Elektronen verwendet, nutzt die Spintronik auch den Spin der Elektronen, das ist eine „Drehrichtung” auf atomarer Ebene, um Informationen zu speichern und zu verarbeiten. In diesem Forschungsbereich gelang nun einem internationalen Team bestehend aus Wissenschaftler*innen vom Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik in Deutschland, der University of Nebraska–Lincoln, USA und der JKU (Institut für Theoretische Physik) ein wichtiger Fortschritt:
Magnetische Tunnelübergänge (MTJs) sind ein zentrales Bauelement der spintronischen Speichertechnologie. Sie ermöglichen hochsensible Magnetfeldsensoren, die in allen magnetischen Festplattenlaufwerken (die 70 % aller digitalen Daten speichern) verwendet werden, sowie nichtflüchtige magnetische Speicher, die ein hohes Maß an Leistung, Zuverlässigkeit und Skalierbarkeit bieten, das über die heutigen ladungsbasierten Speicher hinausgeht.
Eine klassische MTJ-Struktur besteht aus einer nichtmagnetischen Tunnelbarriere, die von zwei ferromagnetischen Elektroden eingeschlossen wird. Der zugrunde liegende Mechanismus ist der Spinfilter-Effekt für den spinpolarisierten Ladungsstrom, der durch das Durchlaufen der ferromagnetischen Elektroden erzeugt wird. Es gibt jedoch zwei Herausforderungen bei spintronischen MTJs für praktische Anwendungen: eine relativ langsame Betriebsgeschwindigkeit und Störfeld-Interferenzen aufgrund der Eigenschaften von ferromagnetischen Materialien. Antiferromagneten sind hingegen robuster gegen verschiedene Störungen und haben damit großes Potenzial für spintronische Anwendungen. Sie gelten als Schlüssel für die nächste Generation von Speichertechnologien, da sie ultraschnelle und störungsfreie Eigenschaften bieten.
Das Forschungsteam unter der Leitung von Stuart Parkin vom Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik in Deutschland konnte nun in seiner Studie, die in der renommierten Fachzeitschrift „Nature” veröffentlicht wurde, eine revolutionäre, atomar dünne antiferromagnetische Tunnelverbindung entwickeln, die durch das Verdrehen zweidimensionaler (2D) Materialien hergestellt wurde. Im Rahmen der Studie wurde eine neuartige Technik entwickelt, bei der zwei Doppelschichten des 2D-Antiferromagneten CrSBr verdreht wurden.
Die Forscher*innen haben herausgefunden, dass die Leistung – je nach Drehwinkel – unterschiedlich war. Univ.-Prof. Dr. Arthur Ernst vom JKU Institut für Theoretische Physik wirkte im Forschungsteam mit und kann diesen Effekt erklären: „Die magnetische Wechselwirkung zwischen Schichten findet durch Brom statt. Brom ist zwar nicht magnetisch, aber es ist wichtig für den Spintransport zwischen Chrom aus zwei benachbarten Schichten. Beim Drehen wird diese Wechselwirkung geschwächt oder, in bestimmten Fällen, auch verstärkt. Dadurch kann man magnetische Eigenschaften von so einem Kontakt manipulieren. Dies könnte für zukünftige Spintronik-Anwendungen von großer Bedeutung sein.”
Die Forscher*innen untersuchten die Auswirkungen verschiedener Verdrehungswinkel auf die Leistung der Tunnelverbindungen und stellten fest, dass sich die magnetischen Eigenschaften durch die Verdrehung stark verändern lassen. Zudem bemerkten sie, dass die Temperaturabhängigkeit der magnetischen Eigenschaften bei den verdrehten Übergängen viel geringer ist als bei den unverdrehten, was ihre Einsatzmöglichkeiten weiter verbessert. Diese Entdeckung könnte nicht nur in der Computer- und Speichertechnologie Anwendung finden, sondern auch in der Entwicklung neuartiger Sensoren und anderer elektronischer Bauteile.
Zum „Nature”-Paper: Twist-assisted all-antiferromagnetic tunnel junction in the atomic limit | Nature