„Für die bessere Vereinbarkeit von Angehörigenpflege und Berufstätigkeit gibt es noch viel zu tun“, sagt AK-Präsident Andreas Stangl. In der Studie „Angehörigenpflege und Berufstätigkeit in Oberösterreich“ hat die AK OÖ gemeinsam mit dem Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung pflegende Angehörige befragt, wie es ihnen geht.
Was ist bei der Befragung herausgekommen? Mehr als jede:r dritte erwerbstätige pflegende Angehörige gibt an, große Probleme zu haben, Berufstätigkeit und Pflege zu vereinbaren. Ein Wohnort im ländlichen Raum und/oder ein geringes Einkommen erhöht dabei die Wahrscheinlichkeit, Angehörige selbst pflegen zu müssen. Dazu tun sich Menschen mit niedrigem Einkommen schwerer als Besserverdienende, Erwerbs- und Pflegearbeit vereinbaren zu können. Und: Je geringer das Einkommen, desto höher ist der Frauenanteil an den pflegenden Angehörigen.
Unter den derzeitigen Bedingungen passen pflegende Angehörige meist ihren Beruf an, um die Pflege meistern zu können. Sie reduzieren Stunden, suchen sich eine nähergelegene Arbeitsstelle (teils unter ihrer ursprünglichen Qualifikation) und verzichten dabei häufig auf Einkommen – oft mit Folgewirkungen auf die Pension.
Rund 167.000 Oberösterreicher:innen zwischen 20 und 64 Jahren sind pflegende Angehörige. Warum so viele? Nun, fast ein Drittel (31,7 %) der Befragten gibt an, dass die von ihnen betreute Person die benötigten professionellen Pflegeleistungen nicht in ausreichendem Maße erhält. Als größtes Hindernis werden zu hohe Kosten genannt (35 %), gefolgt von schlechter Zugänglichkeit (27 %), keiner Anspruchsberechtigung (27 %), mangelnder Verfügbarkeit (17 %) und nicht passender Qualität (7 %).
Geldleistungen, wie etwa das Pflege- und Hospizkarenzgeld, steuerliche Absetzbeträge, Förderungen für die 24-Stunden-Betreuung und der Angehörigenbonus sollen finanziell entlasten. „Viele Betroffene schildern diese Leistungen aber als Tropfen auf den heißen Stein, weil die Kosten für Medikamente, Hilfsmittel und Therapien viel höher sind und nur zum Teil durch die Krankenversicherung getragen werden“, so Präsident Stangl.
Die Forderungen der Arbeiterkammer Oberösterreich
Pflegende Angehörige brauchen mehr politische Aufmerksamkeit
- Die EU hat bereits 2022 eine europäische Care-Strategie verabschiedet, die Österreich vorschlägt, einen nationalen Aktionsplan für Pflegende Angehörige auszuarbeiten. Der Bund ist hier säumig und muss endlich aktiv werden.
Notwendige Verbesserungen im Arbeitsrecht
- Wir benötigen das Recht auf einen Wechsel zwischen Voll- und Teilzeit.
- Die Pflegefreistellungsansprüche für Jugendliche mit Beeinträchtigungen bzw. Erwachsene müssen ausgedehnt werden.
- Die Pflegefreistellung außerhalb des eigenen Haushaltes muss auch auf Schwiegereltern und -kinder sowie auf Patchworkfamilien ausgedehnt werden.
Angebote und sozialrechtliche Verbesserungen:
- Es müssen spezifische Maßnahmen für die Rückkehr in die Erwerbstätigkeit nach einer Phase der Angehörigenpflege entwickelt werden (etwa aktive Arbeitsmarktpolitik, Absicherung des Übergangs vom Status des/der pflegenden Angehörigen in die Erwerbsarbeit).
- Pflegekarenzzeiten müssen im Pensionskonto höher bewertet werden – mit der Höhe des Medianeinkommens aller Beschäftigten.
- Beim Pflegegeld und bei der Begutachtungspraxis in Pflegegeldverfahren braucht es Verbesserungen.
- Das existenzsichernde Pflege- und Hospizkarenzgeld muss deutlich erhöht werden.
- Die Bürokratie muss bei der Beantragung von Leistungen abgebaut werden: verkürzte Wege, zentrale Anlaufstellen, einfachere Sprache.
- Es braucht Verbesserungen in der Arbeitslosenversicherung und beim AMS: mehr Rücksicht auf Pflegeverpflichtungen, erworbene Kompetenzen bei Bildungsangeboten beachten und mehr Unterstützung bei der Rückkehr auf den Arbeitsmarkt. Dafür braucht das AMS auch ausreichend Ressourcen.
Ausbau der Unterstützungsangebote
- Professionelle Dienste der Pflege (inkl. Rechtsanspruch) müssen ausgebaut werden.
- Kostenlose Kurzzeitpflege, Tageszentren und Entlastungsdienste müssen ausgebaut werden.
- Es muss ein „Angehörigen-Notruf“ in Akutsituationen eingerichtet werden.
Ausbau von Angeboten für Kinder und Jugendliche
- Qualitativ hochwertige und personell gut besetzte Plätze für beeinträchtige Kinder gehören flächendeckend ausgebaut.
- Es braucht einen Rechtsanspruch auf den Schulbesuch von Kindern mit Beeinträchtigung bis zum 12. Schuljahr.
- Professionelle Angebote für Young (Adult) Carer müssen ausgebaut werden.
Ausbau der Gesundheitsangebote
- Die Leistungen für Menschen mit Beeinträchtigungen müssen zur öffentlichen Gesundheitsversorgung gehören.
- Die psychische Versorgung für pflegende Angehörige und Reha-Leistungen muss ausgebaut werden.
Betriebe müssen Verantwortung besser nachkommen
- Wir benötigen betriebliche Angebote zur Vereinbarkeit von Angehörigenpflege und Erwerbsarbeit unter Einbindung der Betriebsrät:innen.