Erinnerungszeichen für 25 Ebenseer NS-Opfer

Der Anregung des Zeitgeschichte Museums, die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus nicht ausschließlich auf den KZ-Opferfriedhof am Ortsrand auszulagern, wurde nunmehr entsprochen. Der Gemeinderat beschloss schon im Juni 2023 einstimmig, ein Mahnmal für die, während der NS-Diktatur zu Tode gekommenen Frauen und Männer aus Ebensee, im Ortszentrum errichten zu lassen. Als Prämisse für das Denkmal war vorgegeben, dass die Namen der ermordeten Frauen und Männer aus Ebensee namentlich genannt werden und auf diese Weise in das Bewusstsein der ortsansässigen Bevölkerung zurückkehren. Mit der Durchführung eines geladenen Wettbewerbes für Künstler, Bildhauer und Architekten wurde das Zeitgeschichte Museum beauftragt. Eine unabhängige Jury, bestehend aus der Kulturwissenschaftlerin Drin. Birgit Johler, dem Kulturmanager Mario Friedwagner, der Ebenseer Bürgermeisterin Sabine Promberger, der Expertin für Denkmalkultur Maga. Lisa Neuhuber und dem Leiter des Zeitgeschichte Museums Dr. Wolfgang Quatember prämierte unter fünf Einreichungen den Entwurf der international renommierten Bildhauerin Eva Grubinger (Berlin) zum Siegerprojekt. Das Denkmal findet, dem Gemeinderatsbeschluss folgend, auf der Grünfläche vor dem Gemeindeamt seinen Bestimmungsort. Finanziert wurde das Projekt aus Mitteln des Landes OÖ (Direktion Kultur), dem Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus der Republik Österreich, dem Zukunftsfonds der Republik Österreich, der Kulturhauptstadt SKG 2024 und der Gemeinde Ebensee. Im Mai 2025 soll das Denkmal im Rahmen eines feierlichen Aktes enthüllt werden.

Die Namen

Bereits seit den 1950er Jahren befindet sich am Ortsfriedhof ein Denkmal mit Namen von Ebenseer*innen, die wegen ihres politischen Engagements und ihrer gelebten Menschlichkeit in nationalsozialistischen Konzentrationslagern und Haftanstalten ermordet wurden. Bis zur Gegenwart hat der Opferbegriff bedingt durch historische Forschung und einem gesellschaftlichen Wandel jedoch eine erweiterte Dimension erlangt. Das alte Denkmal am Friedhof erwähnt die jüdischen Opfer nicht, auch nicht die Opfer der „Aktion T4“, also von Menschen, die von den Nationalsozialisten als „lebensunwert“ kategorisiert wurden. Auch die von der Wehrmachtsjustiz wegen Fahnenflucht Ermordeten fehlen, ebenso wie die sogenannten „Asozialen“, die von NS-Sondergerichten wegen kleinkrimineller Delikte zum Tod verurteilt wurden. In jahrelanger Recherche des Zeitgeschichte Museums konnten nunmehr 25 Ebenseer*innen historisch-wissenschaftlich und durch Quellen belegt, erfasst werden, die den oben formulierten Kriterien entsprechen. Am Denkmal werden nur die Namen erwähnt: eine Zusatztafel mit QR-Code ermöglicht den Betrachtern jedoch die Erschließung aller 25 Opferbiographien. Das Mahnmal ist durchaus erweiterbar, sofern die Forschung weitere Opfer mit Quellen belegbar nachweisen kann. 

Das Mahnmalprojekt (Text: Eva Grubinger)

Die Skulptur zeigt ein Spiel als einen unabgeschlossenen Prozess. Die Betrachter erkennen eine hohe quaderartige Form, die ursprünglich aus Stapeln von drei rechteckigen Steinen in vierzehn versetzten Reihen aufgeschichtet wurden; die entfernten Steine sind lose an den Seiten platziert. Auf diesen Steinen sind die Namen der Opfer eingraviert. Die ideale Form des Turmes wirkt durch die Entfernung dieser Blöcke beeinträchtigt. Die verbliebenen Steine weisen teils in verschiedene Richtungen oder sind verdreht. Die Struktur als Ganzes wirkt prekär und instabil.

Der Verweis auf die Idee eines Spiels ist absichtlich zweideutig, denn einerseits suggeriert es Freiheit und Unbefangenheit – und die Möglichkeit, immer wieder von vorne anfangen zu können, kann aber auch mit willkürlichen Regeln oder einem symbolischen Kampf zwischen Leben und Tod assoziiert werden.

Obwohl es sich äußerlich um eine abstrakte Form handelt, wirkt das Werk eindeutig „vermenschlicht“. Auf eine Höhe von 170 cm vergrößert entspricht es der Größe einer Person. Die Quader bestehen aus Kalkstein, ein langlebiges und zeitloses Material. Das Skulpturenensemble vermeidet Monumentalität und Prunk. Es ist eine Form, die Aufbau und Wiederaufbau beinhaltet, aber auch die latente Möglichkeit seiner Zerstörung, wenn es an Fähigkeit und Aufmerksamkeit mangelt.

An erster Stelle stehen das Unrecht, das Leid und der Schmerz der eigentlichen Opfer selbst, deren Namen explizit erwähnt werden. Es ist jedoch auch ein Denkmal für die verbliebenen Bewohner von Ebensee und deren Nachkommen. Nach der Barbarei des Nationalsozialismus kann man weiterleben, Schuldgefühle verdrängen und so tun, als sei nichts geschehen, aber man ist nicht mehr derselbe Mensch. Wie ein Phantomschmerz nach einer Wunde oder Amputation: Man glaubt, unbeschadet davongekommen zu sein, aber etwas ist unwiederbringlich verlorengegangen.

Foto: Mahnmal, Entwurf Eva Grubinger (Berlin)

Über den Autor

Dr. Rainer Hilbrand
Medieninhaber u. Geschäftsführer

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